PREMI SCHILLER ZKB
Il Premi Schiller ZKB è dotà cun 20’000.- CHF e vegn surdà mintg’onn da la Banca Chantunala Turitgaisa (ZKB) ad in’autura u in autur regiunal. Premiads vegnan auturas ed auturs che enritgeschan e marcan cun lur ovras la scena litterara svizra.
Il premi da litteratura vegn surdà dapi il 1979 sin proposta dal cussegl da la Fundaziun Schiller svizra. I sa tracta dal pli vegl engaschi per la litteratura da la Banca Chantunala Turitgaisa. Cun questa contribuziun promova e sustegna la ZKB la scena litterara dal spazi economic Turitg. Unser Engagement
Franz Hohler
Franz Hohler & friends (Luchterhand Verlag 2024)
Jurybegründung:
Die Porträts von Freunden, Berufskolleginnen, Persönlichkeiten des kulturellen Lebens, die das Buch versammelt, stammen aus fünf Jahrzehnten. Sie entstanden für so unterschiedliche Anlässe wie Preisverleihungen, Geburtstage oder Totenfeiern. Hohler geht immer von persönlichen Begegnungen aus. Seine Porträtkunst erweist sich im Vermögen, immer neue Herangehensweisen zu finden, die auf die gewürdigten Personen fein abgestimmt sind und diese sprachlich zu vergegenwärtigen vermögen. So ist das Buch auch eine Schule der Menschenkenntnis und entwirft die Utopie eines Umgangs unter Kulturschaffenden, der von Verstehen, Respekt und Wohlwollen bestimmt ist.
Franz Hohler wurde1943 in Biel geboren und wuchs in Olten auf. Er brach sein Germanistikstudium ab, um sich dem Kabarett und der Literatur zu widmen. Seine Chansons, zu denen er sich selber auf dem Cello begleitet, gehören zum populären, kritischen Kulturgut der Schweiz und sind eigene literarische Perlen. Seit seiner Studienzeit wohnt er in Zürich; Zürcherinnen und Zürcher sind auch viele der in seinem Buch Porträtierten.
PREISVERLEIHUNG VOM 2. JUNI 2025 IM LITERATURHAUS ZÜRICH
Preisträger Fanz Hohler
Dr. Jörg Müller-Ganz, Präsident des Bankrats der ZKB, Franz Hohler und
Nicola Steiner, Leiterin des Literaturhauses Zürich.
Fotos von Dominique Meienberg
Laudatio, gehalten von Dr. Dominik Müller
Sehr geehrte Damen und Herren,
Franz Hohlers & friends, das Buch, das wir heute feiern, stellt einen Laudator vor eine spezielle Herausforderung. Es enthält selbst eine ganze Reihe von Festreden. Alle zeugen von einer hohen Kunst des Rühmens. Es wäre wohl ein gefährliches Unternehmen, wenn ich versuchen würde, dieser hier nachzueifern. In der Romantik wurde zwar postuliert, dass nur Künstler Künstler, nur Dichter Dichter würdigen dürfen. Solchem Absolutismus ist entgegenzuhalten, dass Kunst- und Literaturkritik ja gerade eine Art Übersetzungsleistung erbringen. Da ist es hilfreich, wenn deren Zielsprache eine sachliche, nüchterne, meinetwegen eine arme ist.
Meine Rolle kann auch noch aus einem anderen Grund nicht mit der verglichen werden, die Franz Hohler in seinem Buch so souverän, so humorvoll, so liebenswürdig spielt. Ich stehe hier als Vertreter der Schillerstiftung vor Ihnen. Der Entscheid, Franz Hohler & friends für den Preis vorzuschlagen, fällte der mehrsprachige Stiftungsrat der Schillerstiftung auf Vorschlag der deutschsprachigen Jury, der Bettina Braun, Ruth Gantert und ich angehören. So schickt es sich nicht, dass ich das Wörtchen «ich» zu häufig in den Mund nehme, obwohl der Charme des Buches, um das es geht, gerade wesentlich darin liegt, dass es so persönlich ist.
Dies liegt daran, dass Franz Hohler in den vierundsechzig Miniaturen, die er in seinem Buch zusammengestellt hat, – neben den Festreden gibt es darunter auch viele Nachrufe und Totenreden – vor allem Bekannte und Freunde porträtiert. Der Titel Franz Hohler & friends passt dazu. Persönlich – nun eben doch – trenne ich Autorenname und Titel lieber und lese: Franz Hohler, Doppelpunkt: «And friends». So tönt das weniger nach Fernsehshow, und «and friends» bekommt sogar einen leicht fragenden Ton. Was Freundschaft ist, welche Spielarten es davon gibt, ist ja eine ständige Frage in dem Buch. «Freunde? Kollegen? Was waren wir?» fragt Hohler im Text über Kaspar Fischer. Er erzählt darin von einer Folge von Annäherungen und Distanznahmen, wofür schliesslich die Formel «entfernte Freunde» gefunden wird.
Das Persönliche rutscht nie ganz ins Private ab. Die Texte geben fast immer zu verstehen, dass sie in einen öffentlichen Raum hineingesprochen sind. Die meisten von ihnen sind Zeitungsartikel oder öffentlich gehaltene Reden. Sie beschwören einen öffentlichen Raum herauf, in dem ein freundlicher, humorvoller Umgang gepflegt wird, der nicht gehässig auf die Defizite der Mitmenschen lauert, sondern deren Qualitäten als Kompensationen der eigenen Defizite anerkennt. Damit baut das Buch an einer Utopie von Gemeinschaftlichkeit, die auch unter Kulturschaffenden längst nicht immer eine Selbstverständlichkeit ist.
Literaturjurys tun sich immer etwas schwer damit, Bücher auszuzeichnen, die nicht in einem Guss entstanden sind. Im Wort «Sammelsurium» bündeln sich die Vorbehalte. Zugegeben: Man braucht Hohler & friends nicht schön linear von Anfang bis ans Ende durchzulesen. Trotzdem bildet es in verschiedener Hinsicht ein Ganzes. Es ist ein phantasievolles Kompendium des Rühmens, das vorführt, wie unfassbar reich der Schatz an Qualitäten ist, die man an Menschen ausmachen kann. Die Skala reicht von den grossen, weit ausstrahlenden Leistungen insbesondere auf dem Feld der Kultur, über eigenwillige Lebensführung bis hin zu unscheinbaren Gesten des Alltags. Bei den bekannten Figuren lässt Hohler gerne aus, was deren Bekanntheit ausmacht, und erzählt von scheinbar Nebensächlichem. Das macht Berühmtheiten wieder ein bisschen fremd und erlaubt, sie neu zu sehen. Bei weniger bekannten Personen bietet er ein abgerundeteres Bild. Sie werden oft aus irgendeinem Schatten herausgeholt: etwa die beiden Berner Troubadours Fritz Widmer und Jacob Stückelberger aus dem Schatten Mani Matters, dem selber aber auch ein bewegender Text gewidmet ist, – oder Vrony Jaeggi aus dem Schatten der Solothurner Literaturtage, für die sie mehr als eine unermüdliche Generalsekretärin war.
Man kann das ganz Buch auch als eine Porträtgalerie auffassen. Wenn man solchen Bildersammlungen in Schlössern entlangschreitet, stellt sich gerne Langeweile ein: immer das gleiche Format, immer der gleiche Ausschnitt (Kopf, Hals, ein bisschen Oberkörper), immer der gleiche schwarze Hintergrund. Demgegenüber kennt Hohlers Porträtkunst eine breite Palette von Verfahren. Um diese Vielfalt zu würdigen, die ein wesentliches Moment des literarischen Rangs des Buches ist, muss man es in seiner Ganzheit betrachten. Selten nimmt Franz Hohler die Personen frontal in den Blick, gerne pirscht er sich über Umwege an sie heran, arbeitet mit dem Dekor, etwa wenn er in dem schönen Text über die Abschiedsvorlesung des kürzlich verstorbenen Peter von Matt die Fresken und gar das Notausgangsschildchen in der Aula der Universität Zürich in den Dienst seiner Porträtkunst stellt.
Weil neben den Porträtierten der Porträtist vielfach ebenfalls ins Bild kommt, wird das Buch auch zu einer fragmentierten Autobiographie. Da treten verschiedene Hohlers auf, der Schriftsteller, der Kabarettist, der Kollege, der Leser, der Tourist, der Staatsbürger usw. Sehr präsent ist auch der Zeitzeuge.
Und das führt zu einem anderen Grund, warum das Buch als Ganzes interessiert. Anhand einer beträchtlichen Zahl von Repräsentantinnen und Repräsentanten wird das literarische Leben unseres Landes vergegenwärtigt – grob gesagt von der Gründung der Gruppe Olten bis zu deren Wiederzusammenschluss mit dem Schriftstellerverein im A*dS (Autorinnen und Autoren der Schweiz). Analoges kann gesagt werden in Bezug auf die Kabarettszene, bei deren Darstellung Franz Hohler nicht nur derer gedenkt, die auf den Bühnen, sondern auch jener, die hinter den Bühnen agieren.
Ich komme zum Schluss und werde doch noch einmal etwas persönlicher. Das Wohlgefallen an diesem so menschenfreundlichen Buch hat bei mir sehr früh schon ein kleines Dämönchen auf den Plan gerufen, die Erinnerung an eines meiner Lieblingslieder von Franz Hohler: «Es sie alli so nätt!» Sie erinnern sich. Das Lied folgt dem Prinzip der Klimax: Nacheinander werden verschiedene Menschengruppen evoziert, die ihre Interessen gegen die des Sängers darum erfolgreich durchzusetzen vermögen, weil sie so konziliant, so verteufelt nett auftreten: die Kellertheaterbetreiber, die Vertreter der Atomlobby, diejenigen, die man heute die Oligarchen nennt und schliesslich das Hinrichtungspersonal. «Es isch zum wahnsinnig wärde – es sie alli so nätt!» Ist das Lied des jüngeren Franz Hohler ein Einspruch gegen das Buch des älteren? Ich denke, ich muss ihnen nicht auseinanderbuchstabieren, was das freundliche Licht, in dem die Porträtierten in unserem Preisbuch erscheinen, und die denunzierte Scheinnettigkeit des Liedes unterscheidet. Ich habe aber von Franz Hohler auch gelernt, dass das Rühmen seine Wirkung und seine Glaubhaftigkeit verliert, wenn man es damit übertreibt und das Pathos nicht mit Humor würzt.